Neuformierung der Gewissen
von Dr. P. Willibrord Godel OSB, Dezember 1996
Der Wert der Bewahrung der Schöpfung hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Gewicht erhalten und zu einer Neuorientierung der Gewissen geführt. Was einmal ethisch unbedenklich erschien, etwa die gedankenlose Landschaftszerstörung, Luft-, Wasser- und Bodenverpestung in deutschen Industrieballungszentren, ist vor unserem Gewissen und dank unserer Gesetzgebung nicht mehr machbar. Das bayerische und deutsche Naturschutzgesetz, die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind Ausdruck des wachsenden ökologischen Gewissens in unserer Gesellschaft.
Der Eingriff in unsere Flusslandschaften durch Stauhaltung und Kanalisierung - mit allen landschafts- und lebenszerstörenden Folgen - erschien weithin bis in die 2. Hälfte unseres auslaufenden Jahrhunderts als unbedenklich. Jetzt aber wächst, naturwissenschaftlich klar begründet, - also keine Ideologie - die Einsicht, dass wir so nicht weitermachen können. Viele Mitbürger fühlen sich im Gewissen angesprochen zum Einsatz für die letzten noch frei strömenden Strecken unserer Flüsse.
Wir hoffen, dass der schöpfungsgerechte Prozess der Neuformierung der Gewissen weitergeht, auch im Blick auf die Bewahrung der frei fließenden Donau. Manchmal wird es sich da wohl um eine Güterabwägung handeln. Was wiegt mehr? Die Erhaltung einer natürlichen Lebenswelt oder der höchste wirtschaftliche Profit? Eine Frage, die sich bei den meisten Vorgängen stellt, bei denen es um die Bewahrung der Schöpfung geht. (...)
Wir müssen manchmal hören, dass Kirchen und Christen sich aus dieser Frage heraushalten sollten. Könnten sie das, wenn sie im Gewissen angesprochen sind? Welche Vorwürfe hat man den Kirchen und Christen gemacht, wenn sie ihrem Gewissen nicht folgten und sich nicht engagierten? Etwa in der "Sozialen Frage" des 19. Jahrhunderts oder im Naziregime?
Was werden unsere Kinder im dritten Jahrtausend sagen, wenn wir uns nicht entsprechend unserem Gewissen engagieren? Könnten sie nicht fragen: Warum habt ihr die Zerstörung von Landschaft, Kultur und Leben zugelassen und unsere Welt noch ein Stück unwohnlicher gemacht?
Wir werden weiter an jedem letzten Sonntag im Monat in Niederalteich beten und werden uns weiter für einen Ausbau der Donau-Wasserstraße ohne Staustufen einsetzen.